Ein Plädoyer für die Freiheit und die Demokratie

Zeitzeuge, Fluchthelfer und Publizist Dr. Wolfgang Welsch referierte vor Pelzl-Schülern

Am Dienstag, dem 6. Februar 2024, hielt der ehemalige DDR-Staatsfeind Nr. 1 vor ca. siebzig Schülerinnen und Schülern der Abschlussklassen der Privaten Schulen Pelzl im ÜFA-Saal zum 4. Mal einen zweistündigen Zeitzeugenvortrag. Dazu eingeladen hatte die Schul- und Geschäftsleitung der Pelzl-Schulen.

In den vorherigen Geschichtsstunden beschäftigten sich die Schüler mit der Teilung Deutschlands, dem SED-Unrechtsregime, der Flucht von Millionen DDR-Bürgern und dem Mauerbau 1961. Hier konnte der Zeitzeuge Welsch, der am 05.03.2024 seinen 80. Geburtstag feiern wird, ansetzen, da er 1964 aus der DDR flüchten wollte. Der damals junge Schauspieler Welsch zeigte mit diesem Schritt seine völlige Ablehnung gegenüber der restriktiven Politik der DDR. Für den Fluchtversuch und wegen staatsgefährdender Hetze saß Welsch sieben Jahre in unterschiedlichen Untersuchungshaftanstalten. Er ließ aus dem Gefängnis sogenannte Kassiber herausschmuggeln und machte damit im Ausland auf sein Schicksal aufmerksam. Die Bundesregierung unter Willy Brandt kaufte den Häftling Wolfgang Welsch 1971 frei.

In der Annahme, eine Schauspielkarriere in der Bundesrepublik beginnen zu können, sprach Wolfgang Welsch als Schauspieler an zwei Bühnen vor und musste schmerzlich feststellen, dass er nicht mehr imstande war, Texte auswendig vorzutragen. Erst später erfuhr er, dass er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund der Misshandlungen im Gefängnis litt. Die anvisierte Schauspielkarriere zerschlug sich damit.

Sein nächster Weg führte ihn an die Universität in Gießen. In dieser Zeit begann der Zeitzeuge, einen effektiven Fluchthelferring aufzubauen und bis in die 80-er Jahre ca. 200 Menschen aus der DDR zur Flucht zu verhelfen. Durch seine erfolgreiche Tätigkeit geriet der Fluchthelfer Welsch ins Visier der Staatssicherheit, dem Geheimdienst der DDR. Das Ministerium für Staatssicherheit ordnete in der „Operation Skorpion“ an, Wolfgang Welsch zu liquidieren, also zu töten. Zur Umsetzung dieses mörderischen Plans wurde ein inoffizieller Mitarbeiter des MfS (IM) in die Bundesrepublik entsandt mit der Aufgabe, sich als Freund auszugeben und in das persönliche Umfeld der Familie Welsch zu gelangen. Von Ost-Berlin aus orchestrierte die Staatssicherheit drei Mordanschläge auf Wolfgang Welsch, der diese durch Glück, Zufall und Willensstärke überlebte. Das Perfide an dem letzten Anschlag, einem Giftanschlag mit Thallium, war, dass die Stasi nicht davor zurückschreckte, dass bei dieser Tat auch seine Tochter und seine Frau hätten sterben können.

Nach der Wende und Wiedervereinigung nahm Wolfgang Welsch Einsicht in seine Stasi-Unterlagen bei der ehemaligen Gauck-Behörde. Seine Akte sprach Bände: Verrat von seiner Ehefrau. Verrat von seinem Freund. Die Ehe wurde geschieden und der angebliche Freund nach anfänglichem Widerstand der bundesdeutschen Justizbehörden angeklagt und zu einer 6-jährigen Haftstrafe wegen Mordversuchs verurteilt.

Wolfgang Welsch verarbeitete sein sehr bewegtes Leben in dem Buch „Ich war Staatsfeind Nr.1“. Seine Geschichte wurde in dem Politthriller „Der Stich des Skorpion“ verfilmt.

In Anbetracht der aktuellen Gefahr von rechts appellierte der Publizist an die Schülerinnen und Schüler, sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Demokratiefeinde einzusetzen und unbedingt vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Denn: Nur in einer Demokratie ist Freiheit möglich!

Während der Fragestunde interessierten sich die Schülerinnen und Schüler vor allem für das ihm zugefügte Leid im Gefängnis, für den Verrat von seiner Ehefrau und für sein Verhältnis zu seiner Tochter. Der Zeitzeuge wirkte an dieser Stelle des Vortrags betroffen und war weniger souverän.

Mit einem kräftigen Applaus wurde Herr Dr. Wolfgang Welsch von den Pelzl-Schülern für seinen fesselnden Vortrag verabschiedet und konnte den traditionellen Bocksbeutel als Dankeschön und Geschenk in Empfang nehmen.

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